Pro & Contra Familientafel
Um einzuschätzen, ob das Konzept der Familientafel sinnvoll und zielführend ist, werden im Folgenden Argumente, die für und gegen eine Familientafel sprechen, diskutiert.
Was spricht für die Familientafel als Konzept der Familienbildung, das sich speziell an Familien in prekären Lebenslagen mit minderjährigen Kindern richtet?
Leben Eltern in wirtschaftlich prekären Lebenslagen, hat dies Auswirkungen auf die Kinder. Seit Jahren mehren sich die Belege, dass Kinder, die in
Armut aufwachsen, besonders hohen Entwicklungsrisiken ausgesetzt sind, aus denen anhaltende Benachteiligungen folgen können. Kinder mit guten Startbedingungen mehren im Verlaufe ihrer Entwicklung Ressourcen und sind geringeren Risiken ausgesetzt, während Kinder aus Familien mit schlechteren Startbedingungen weniger Ressourcen aufbauen können und gleichzeitig höheren Risiken ausgesetzt sind. Aufgrund der vielfältigen Forschungsarbeiten von Entwicklungspsychologen, Soziologen und nicht zuletzt Ökonomen wie James Heckman, entschieden sich verschiedene westeuropäische Länder für die Stärkung präventiver Ansätze für werdende Eltern und Eltern mit kleinen Kindern. Dabei ist man sich einig, dass neben qualitativ hochwertigen institutionellen Angeboten für Kinder, die Stärkung von elterlichen Kompetenzen entscheidend dazu beiträgt, die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen zu fördern.
Vielerorts besteht ein ausdifferenziertes Hilfesystem: Welchen Sinn hat ein weiteres Angebot, wie das der Familientafel?
Die Palette von Angeboten für Familien, die an vielen Orten zur Verfügung steht, ist sehr breit. Damit stellt sich die Frage, warum ein weiteres Angebot wie die Familientafel vor Ort erforderlich sein kann. Maßgeblich für die Antwort sind folgende Überlegungen: Verschiedene Untersuchungen weisen darauf hin, dass viele
Soziale Dienste vor allem Eltern der Mittelschicht erreichen.
Armutsgefährdete Familien finden dagegen seltener den Weg zu solchen Angeboten. Die Gründe sind vielfältig: Bei manchen Eltern liegt es schlicht daran, dass ihnen Informationen zu den Angeboten fehlen. Daneben zeigen Erfahrungen aus der Praxis, dass manche Eltern mit geringen Bildungsabschlüssen, brüchigen Berufsbiographien und prekären Einkommensverhältnissen der Nutzung bekannter Angebote ambivalent oder resignativ gegenüber stehen. Bei Fragen zu familialen Belangen oder der Entwicklung der Kinder befürchten sie Unverständnis seitens der Professionellen im Hilfesystem. Das kann zu Skepsis bis hin zu einer grundsätzlichen Ablehnung gegenüber Angeboten
Sozialer Dienste führen. Entscheidend für den Aufbau einer Familientafel ist die Frage, inwieweit die bestehenden Angebote der
Familienbildung vor Ort Eltern in prekären Lebenslagen tatsächlich erreichen und dazu beitragen, die Eltern in ihrem Alltag zu entlasten und zu stärken. Das niedrigschwellige Konzept der Familientafel eignet sich besonders gut dazu, entsprechende Lücken zu schließen.
Hier gelangen Sie zu einem Beispiel solcher Vorbehalte bei einer jungen Mutter in prekärer Lebenslage.
Die Tafelbewegung ist gesellschaftlich umstritten: Ist die Kooperation mit einer Tafel tatsächlich im besten Interesse der Familien?
Grundsätzlich eignet sich jeder Ort in einer Kommune, an dem Eltern in wirtschaftlich prekären Lebenslagen anzutreffen sind, für die aufsuchende Arbeit der Familientafel. Das Modellprojekt in Bayreuth entschied sich für eine enge Kooperation mit der Bayreuther Tafel e. V. und machte damit gute Erfahrungen. Familientafeln, die eine ähnliche Zusammenarbeit anstreben, sollten sich mit der Diskussion über die Tafelbewegung in Deutschland vertraut machen, denn die Arbeit der Tafeln ist umstritten. Auf der einen Seite stehen die Argumente der Tafelbewegung. Ihre Position lässt sich im Kern wie folgt zusammenfassen: Niemand hat etwas davon, wenn Lebensmittel vernichtet werden. Es ist ein Gebot der Mitmenschlichkeit, den Überfluss für diejenigen Menschen einzusetzen, die in einem reichen Land in Armut leben, um Not zu lindern. Auf der anderen Seite mehren sich kritische Stimmen, die vor den Folgen dieser von Bürgern/Bürgerinnen ehrenamtlich organisierten Verteilung von Naturalien an der Tafel warnen. Eines der Hauptargumente dieser Position ist, dass die Tafelbewegung zum Abbau sozialstaatlicher Prinzipien beiträgt: Die Unterstützung von
armutsgefährdeten Menschen gerät demnach immer mehr zur Privatsache des Einzelnen anstatt eine Kernaufgabe des Sozialstaates zu bleiben. Das wahre Ausmaß der existenziellen Not in Deutschland wird, so der Einwand, durch das ehrenamtliche Engagement vieler Bürger/innen an den Tafeln verschleiert.
Die Familientafel als ein Ansatz der
Familienbildung kann durch die Kooperation mit der Tafel dazu beitragen, dass Familien in prekären Lebenslagen zu einem frühen Zeitpunkt erreicht werden. Dabei bleibt die Reichweite der Familientafel selbstverständlich begrenzt: Das Angebot unterstützt Eltern zunächst darin, die bestehende soziale Infrastruktur zu nutzen und bemüht sich im Verbund mit anderen Kooperationspartnern bzw. Kooperationspartnerinnen um eine auf Familien bezogene Weiterentwicklung der Sozialen Dienste.
Zu den empirischen Befunden, die durch die Begleitforschung gewonnen wurden, lesen Sie
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